Tage des Schicksals by Lacrosse Marie

Tage des Schicksals by Lacrosse Marie

Autor:Lacrosse, Marie [Lacrosse, Marie]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Hist. Roman
Herausgeber: Goldmann
veröffentlicht: 2019-08-24T05:35:31+00:00


Teil 4

Schicksalsschläge

Kapitel 15

Anwesen der Gerbans bei Altenstadt

April 1879

»Gnädige Frau, da ist eine Dame, die nach Pauline Gerban gefragt hat. Sie wartet unten in der Halle. Hier ist ihre Karte.«

Stirnrunzelnd betrachtete Ottilie die Visitenkarte aus teurem Papier mit Golddruck, die ihr der Diener Niemann auf einem silbernen Tablett reichte. »Frau Geheimrätin Kunigunde Merseburg aus Potsdam«, las sie Mathilde, die neugierig den Hals reckte, vor. »Wer mag das sein, und was kann sie von mir wollen?«

Mathilde schüttelte ratlos den Kopf. »Ich habe diesen Namen noch nie gehört. In welcher Beziehung behauptet die Dame denn, zu meiner Mutter zu stehen?«

Niemann verbeugte sich leicht. »Sie hat erwähnt, dass sie eine Jugendfreundin Ihrer werten Frau Mutter aus Straßburger Zeiten sei und sich zum ersten Mal seit Jahrzehnten wieder hier im Elsass aufhalte, gnädiges Fräu … gnädige Frau.«

Niemann, der Mathilde seit ihrer Geburt kannte, hatte manchmal noch immer Mühe, sie entsprechend ihres neuen Status als Ehefrau und Witwe anzusprechen.

»Wir sollten die Dame empfangen«, schlug Mathilde ihrer Tante vor. Wir langweilen uns doch ohnehin Tag für Tag hier zu Tode, hätte sie fast schon hinzugefügt, verkniff sich die Bemerkung aber und sagte stattdessen: »Frau Merseburg scheint nicht zu wissen, dass Mutter schon seit Jahren in Schweighofen wohnt. Und wer weiß, vielleicht wird es ja erneut ein ganz interessanter Besuch.«

Sie zwinkerte Ottilie verschwörerisch zu. Erst als Niemann den kleinen Salon verlassen hatte, um die Unbekannte in der Halle abzuholen, antwortete Ottilie darauf.

»Nun, von diesem Herrn Kegelbaum, oder wie der Mann hieß, haben wir ja leider nichts mehr gehört.«

»Kegelmann«, korrigierte Mathilde sie. »Aber er hat uns doch erklärt, dass er die Informationen, die wir ihm über Franz’ ehemalige französische Staatsbürgerschaft und vor allem seine Beteiligung am Krieg als Freischärler auf der feindlichen Seite gegeben haben, erst ›durch Fakten belegen muss‹, wie er es ausgedrückt hat.«

Einen Moment lang wurde Mathilde etwas bange zumute. »Und das ist auch gut so«, fügte sie hinzu. »Denn wir haben ihm ja das heilige Versprechen abgenommen, uns mit keinem Sterbenswörtchen zu verraten. Schließlich ging es dem Herrn nicht um das Weingut, sondern um Franz’ politische Laufbahn. Dennoch würde Franz uns jegliche Zuwendung streichen, wenn er von diesem Gespräch wüsste.«

Ottilies spitzes Gesicht verzog sich vor Missgunst. »Ja, das wäre ihm zuzutrauen«, stimmte sie ihrer Nichte zu. »Obwohl es unerhört ist, dass ein ehemaliger Vaterlandsverräter jetzt unser deutsches Volk im Reichstag vertritt.«

In diesem Moment klopfte es. Niemann öffnete einer eleganten Dame die Tür. Sie trug ein altrosafarbenes Samtkleid nach der neuesten Pariser Mode und einen dazu passenden, mit einer Seidenschleife garnierten Hut.

»Guten Tag, meine Damen«, begrüßte sie Ottilie und Mathilde mit einem freundlichen Lächeln. »Ich bin untröstlich, dass ich hier so unangemeldet hereinplatze und Ihren Nachmittagsfrieden störe. Herzlichen Dank, dass Sie mich überhaupt empfangen!«

»Aber das ist doch selbstverständlich, werte Frau …« Ottilie warf einen raschen Blick auf die Visitenkarte, »Geheimrätin Merseburg.« Sie ergriff die Hand der Dame, die ihr diese als der Älteren von ihnen beiden zuerst reichte, während Mathilde mit einem Anflug von Neid ihr dunkelgraues Trauerkleid aus der Vorsaison mit dem modischen Schick des Gastes verglich.



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